Jahr der Wahrheit

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Österreichs Ryder Cup-Bewerbung rückt unseren Golfsport voll ins internationale Rampenlicht. Haben wir außer Bernd Wiesberger irgend etwas Nennenswertes zum weltweiten Golfgeschehen beizutragen? Das Jahr 2015 wird zum ultimativen Test.

Als im August 2014 die ersten Gerüchte unter Insidern die Runde machten, dass Ali Khaffaf (Golf Open Event), Robert Fiegl (ÖGV-Generalsekretär) und Siegi Wolf (neuer Fontana-Eigentümer) an einer Ryder Cup-Bewerbung basteln, wurde das Vorhaben von vielen belächelt.

Mehr als eine Schuhnummer zu groß für unser kleines Golfschrebergärtchen! Dieser Meinung schloß auch ich mich zu diesem Zeitpunkt an. Ein halbes Jahr später weicht die Skepsis einer gewissen Neugierde, was Österreich alles ins internationale Schaufenster stellen wird: angeführt von einem tief ins Portmonnait greifenden und auf der gesamten Big Business-Klaviatur zwischen Ontario und Moskau spielenden Siegi Wolf und was in seinem Windschatten sonst noch Überraschendes folgen wird.

Österreich gibt dabei international überhaupt keine Lachnummer ab, wie manche befürchten: bei meinem >> Interview mit Marco Kaussler (Chef von RC Deutschland) war zu spüren, wie man dort mit größter Hochachtung von den Ambitionen der kleinen Nachbarn sprach, nachdem der Business-Background bekannt war.

Nach anfänglichem Zögern wird sich wohl bis zum Frühjahr alles was hierzulande in der Golfszene Rang und Namen hat hinter Österreichs Ryder Cup-Bewerbung versammeln – aus Überzeugung oder aus patriotischer Pflicht. Egal ob wir mit Fontana oder Zillertal ins Rennen gehen.

Ryder Cup Europe verlangt in seinem Pflichtenheft als absolute Grundbedingung einer Bewerbung die geschlossene Unterstützung von der hohen Politik bis zum Stammtisch in jedem Golfclub. Diese Forderung könnte der heimischen Golflandschaft durchaus gut tun, die sich oft in kleinlichen Eifersüchteleien zwischen Boden- und Neusiedlersee verstrickt.

Mittlerweile glaube ich, dass Golfösterreich mit gemeinsamer Kraftanstrengung durchaus in der Lage wäre, eine Bewerbung abzugeben, für die wir uns nicht verstecken müssen.

Ob das für den Zuschlag als Austragungsort für den Ryder Cup 2022 reichen wird, das wird im Headquarter der European Tour hinter verschlossenen Türen entschieden werden, mit vielen Unwägbarkeiten. Im Lobbying-Match hinter den Kulissen werden viele Kräfte unsichtbar mitmischen, wie beispielsweise BMW als wichtigster Sponsor der European Tour. Österreich hat dort als kleiner Erstlingskandidat nicht die allerbesten Karten und wird sich als Außenseiter einiges einfallen lassen müssen um zu punkten.

Die größte Schwachstelle: Österreich kam bislang nie auch nur in die Nähe, einen Spieler für den Ryder Cup zu stellen. Einem Gastgeberland sollte zugetraut werden, mit zumindest einem Heimspieler das lokale Publikum zu begeistern.

Wenn im heurigen Herbst die Würfel fallen, sollte Bernd Wiesberger besser in Bombenform spielen und ein paar weitere Nachwuchshoffnungen wie die Nemecz-Brüder oder Matthias Schwab für weltweite Schlagzeilen sorgen, sozusagen als glaubhaftes Versprechen für die Zukunft.

Bei den weiters geforderten „hochkarätigen Turnieren auf allen Ebenen“ hilft mal ein wenig die Preisgeldaufstockung bei der Lyoness Open. Leider fehlt nun schon jahrelang ein Ladies European Tour-Event und vielleicht ein zweiter, dritter Challenger. In diesen Belangen wird Österreich aber sowieso nie und nimmer auf eine Stufe mit Spanien, Italien oder Deutschland zu stellen sein und wird anderweitig punkten müssen.

Ein mögliches Winning-Szenario könnte so aussehen, dass zwei annähernd gleich starke Bewerbungen etwa von Deutschland und Spanien eine Patt-Stellung bei Abstimmungen ergeben und man sich nur auf einen lachenden Dritten, wie Österreich oder Italien einigen könnte.

Was wäre sonst noch entscheidend? Die politische Unterstützung durch Finanzminister Hans-Jörg Schelling ist zumindest ein Anfang, nachdem sich in der Vergangenheit kein Politiker öffentlich als Golfer zu outen wagte. Mehr, viel mehr muss hier allerdings an Bekenntnissen, in Worten und Taten folgen, etwa eine millionenschwere staatliche Finanzierungsgarantie – in harten wirtschaftlichen Zeiten nicht leicht umsetzbar.

So oder so schlägt für Golfösterreich die Stunde der Wahrheit, ob wir mehr als nur ein paar touristisch erwähnenswerte Golfplätze und einen einzigen Spieler in den Top 1000 der Weltrangliste vorweisen können. Ob aus den vielen ambitionierten Ansätzen, von internationalen Toptrainern im Verband, ausgebauten Förderstrukturen für den Sportnachwuchs im ÖGV, dem beachtlichen Investment von Straka und Weindorfer in ein heimisches European Tour-Event bis zu den touristischen Anstrengungen genug golfkritische Masse zusammenkommt um im Konzert der Golfgrossmächte überhaupt wahrgenommen zu werden.

2015 sollte also besser ein sensationell erfolgreiches Jahr für Österreichs Golfsport werden. Dann und nur dann würden wir glaubhaft das Versprechen abgeben auch eine würdige Bühne für einen Ryder Cup in 7 Jahren zu bieten.

Ob Ryder Cup Europe das am Ende auch so sieht, wäre umso schöner – aber eigentlich nur eine zusätzliche Bestätigung für einen Weg, auf den unsere Golffamilie dann stolz sein könnte.

von Joachim Widl

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