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Game of Losers

Tigerline_Golf_Live_at

Bei Golfturnieren verliert man pausenlos – selbst wenn man zu den Besten zählt. Die Top 10 der Welt gewinnen vielleicht eines von 25 Turnieren. Deshalb lieben die Buchmacher den Sport so sehr, nirgendwo können sie besser verdienen.

Als Jordan Spieth beim Players Championship wieder mal am Schlusstag spektakulär implodierte, war es ausgerechnet Sergio Garcia, der die vielleicht intelligentesten Worte fand:

„Das Golfspiel ist leider ein Spiel der Verlierer. Wir verlieren viel mehr Turniere als wir gewinnen, das wird auch ihm so gehen. Das passiert mir und jedem von uns.“

Als Tiger Woods 2013 bei seinem Comeback an die Spitze der Golfwelt 5 von 19 gespielten Turnieren gewann und das World Ranking wieder überlegen anführte, war das so ziemlich das Optimum. Dabei hat er streng genommen 14 Turniere „verloren“, also 74%. Auch er ein Loser? Von Bernd Wiesberger gar nicht zu sprechen, der jetzt schon seit 31 Turnierstarts sieglos ist. Sein Winning Percentage dümpelt irgendwo bei 5 % herum.

Und mit jedem Turnier, dass Bernd vielleicht wie in Atzenbrugg „nur“ als Zweiter beendet, höre ich die Fragen: was ist los mit ihm? Gute Tipps von Caddiewechsel bis neue Schläger hinterher. Ja und jetzt rächt es sich, dass er keinen Mentaltrainer und Augencoach beschäftigt.

Diese Leute haben das Golfspiel einfach nicht verstanden. In keinem anderen mir bekannten Sport sind Seriensieger so vom System her praktisch ausgeschlossen wie im Golf. Die Spieler haben damit kein Problem, ich auch nicht, aber die breite Sportöffentlichkeit schon.

Fans scharen sich nun einmal hinter dem Leitwolf, also Golfs erfolgreichsten Österreicher. Das war mal Markus Brier, kurze Zeit auch Martin Wiegele und jetzt halt Bernd Wiesberger. Selbst Hobbygolfer, die ihre Kugel keine 180 Meter weit schlagen, bekommen emotional ein Stück des Erfolges ab, wenn ihr Idol gewinnt. Aber halt nur bei Siegen – und das ärgert, wenn man dieses Gefühl nicht jede Woche mitempfinden kann, weil mein Star schon wieder nicht gewann.

Es gibt aber auch glückliche Fans. Die erinnern sich nicht an die „Playoff-Niederlage bei der Lyoness Open 2014“, sondern an das gelochte Wedge zum Eagle in Runde 2, Loch 3. Mir wird ein anderer Golfschlag ewig in Erinnerung bleiben. Bernds Eisen am Schlusstag aus dem Fairwaybunker, Loch 15 (Par 5), aus 250 Metern bis auf 6 Meter zum Stock. Linksgolferisch gespielt, 20 Meter vorm Grün aufgekommen und zur Eaglechance ausgerollt.

Hat man ein Heimturnier tatsächlich verloren, wenn man 111.110 Euro für eine Woche Arbeit verdient, gut 20.000 Leute in die Tullner Pampa gelockt und dort vier Tage lang glänzend unterhalten hat? Was Bernd in den Augen vieler Beobachter „gerettet“ hat, dass er wenigstens sein US Open-Ziel erreicht hat.

Dabei hätten wir so viele Gewinner, wenn man sie nur sehen wollte: Amateur Lukas Lipold, von dem die wenigsten zuvor gehört haben, der zwei 71er-Runden schießt. Oder auch abseits von Atzenbrugg im Touralltag der Nachwuchs-Pros: ein Bernie Reiter, der ohne fixen Startplatz mehrmals auf gut Glück nach Lateinamerika fliegt und bei 5 Montags-Qualifyern gleich 4 Mal einen Startplatz erreicht. Nach der 64, mit der er in Mexiko die Quali mit Riesenvorsprung gewann, standen fassungslose Jung-Pros aus Amerika vor dem Aushang, Zitat:: „Who the F… is Bernie Reiter?“ (und wussten nicht, dass er daneben steht…)

Oder das Beispiel Bernard Neumayer, der von Salzburg exakt 374 Kilometer zu seinem Trainer Thomas Feyrsinger nach Lignano RADELT – einfach um fit zu bleiben.

Glücklichere Menschen sind jene Fans, die Gewinner auch dann erkennen, wenn sie nicht auf P1 am Leaderboard auftauchen.

von Joachim Widl

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