Bernd und sonst nix?

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Österreichs Beitrag zur Golfwelt reduziert sich aktuell auf Bernd Wiesberger. Wird im Nachwuchs so schlecht gearbeitet oder was ist los in der Talentschmiede?

Österreich brachte zuletzt beim World Cup of Golf kein Zweier-Team mehr zustande, da nach „Olympia-Qualifikationskriterien“ gespielt wird. Um Österreichs Golffarben gemeinsam mit Bernd Wiesberger hochzuhalten, hätte ein zweiter Spieler rund um Platz 200 bis 300 im World Ranking aufscheinen müssen. Bacher, Steiner, Prägant, Wiegele und Co. rangieren jedoch in Untiefen zwischen 900 und 1400…

Hatte Golfösterreich mit Brier / Wiegele als >> 5. beim World Cup 2004 seine Sternstunde, die nur alle 100 Jahre wiederkommt? Nehmen unsere Pros das verfassungsmäßig garantierte Recht in Anspruch, schlecht Golf spielen zu dürfen, so wie wir Wochenendhacker auch?

Wodurch ist der Rückfall zu erklären? Eine Golferin des Jahres kann man seriöserweise in Österreich nicht einmal mehr küren, weil es keine zählbaren Ergebnisse auf Erstliganiveau gibt, wie es die >> Austrian Order of Merit gnadenlos widerspiegelt.

Der ÖGV ist diesmal nicht schuld! Die Ex-Präsidenten Goess-Saurau und Wittmann haben mit großem Herz für den Spitzensport in den letzten 20 Jahren gegen große Widerstände jene 500.000 bis 1 Million Euro pro Jahr freigeschaufelt um vernünftige Strukturen zu betreiben. Auch Forsbrand / Jendelid sind so ziemlich die Idealbesetzung, die wir finden konnten. Wer das nicht glaubt, soll einmal zuhören, mit welcher Hochachtung praktisch alle heimischen Pros von diesem Duo sprechen.

Geld ist da, Personal auch, nur kaum Nachwuchs. Wenn Niki Zitny und Fred Jendelid ein Dutzend Namen als Kader-Optionen wälzen, während ihre Kollegen aus Spanien, Frankreich und England aus dem Zwanzigfachen schöpfen, hört sich der Spaß auf.

Österreichs Golfsport trifft gnadenlos das „Gesetz der großen Zahl“, im Volksmund am Treffendsten dahingehend übersetzt – „mit voller Hose ist leicht stinken“. Wenn jährlich weltweit Tausende Golftalente reifen, nur zwei, drei davon aus Österreich kommen, ist das für uns gar nicht gut.

Was sich in den letzten Jahren dramatisch geändert hat, ist die Leistungsdichte. Dazu reicht ein Blick auf Challenge-, Alps- und EPD Tour wie eng nach zwei Tagen die Differenz zwischen Platz 1 und Cut geworden ist.

Österreichs wenige Pros messen sich heute mit fünf- bis zehnmal so vielen Kontrahenten auf vergleichbarem Level. Es ist wie ins Casino zu gehen, wo das Rouletterad auf einmal Fächer mit Zahlen zwischen 0 und 360 aufweist. Zwar haben unsere Spieler weiterhin Woche für Woche die Chance, dass die Kugel auf sie fällt, nur liegt die Wahrscheinlichkeit plötzlich bei 1:361 statt 1:37.

Oder anders gesagt: wir sind nicht schlechter geworden, die anderen aber besser. Das gilt auch für die Spitze. Bernd Wiesberger erreichte heuer seine Million Euro Preisgeld auf der European Tour mit einem Score Average von 70,24 – im Vorjahr schaffte er das gleiche Einkommen mit 70,87 – was für zwei Siege reichte, heuer für keinen auf der ET. Österreichs Nummer 1 musste somit ein viel besserer Golfer werden nur um seine Position zu halten.

Was heißt das für die Zukunft? Österreich kann sich nicht darauf verlassen, dass selbst bei optimaler Arbeit von Verband, Trainern und Talenten automatisch die Tourspieler nachtröpfeln und die ersten Ligen in Europa und sonstwo bevölkern werden.

Sorgen macht vor allem die vielfach vorhandene Weichei-Einstellung unserer Wohlstands-Kids. Wir werden mehr denn je abhängig sein von Glücksfällen wie einem Matthias Schwab oder Lukas Nemecz, die neben dem geforderten Talent auch die notwendige Härte zu sich selbst und zu den Anderen im Turnier mitbringen. Bis dahin liegt alles auf Bernds breiten Schultern.

von Joachim Widl

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