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Eltern Bonusmalus

Wer schützt unsere Golftalente vor überehrgeizigen Eltern? Sind sie reif genug um selbst mit Papa-Handicap Karriere zu machen?

Bei der Gösser Open 2015 wurde Österreich auf der Amateurfront ordentlich eingeschenkt. Früher spielten unsere besten Amateure schon mal um den Sieg in Maria Lankowitz mit. Jetzt darf man froh sein, wenn wie im Vorjahr noch drei Amateure cutten – heuer war es kein einziger mehr! Terminkollisionen, die das Antreten reiferer Kaderspieler verhinderten, sollten hier nicht als Ausrede herhalten, die gabs früher auch schon.

Während bei den Girls Emma Spitz, Lea Zeitler, Isabella Holpfer oder Leo Bettel ordentlich Dampf machen, gabs bei den Boys auf internationaler Ebene zuletzt wenig zu feiern.

Bei der Ursachenforschung hört man immer wieder die gleichen Gründe: Spielplan der Marke „Haudrauf“, Mängel im Kurzspiel, wenig Trainingseifer – und überehrgeizige Eltern.

Letzter Punkt ist wirklich erstaunlich. Wenn Papa und Mama dem aufstrebenden Golfstern aus eigenem Haus im Weg stehen, ist das besonders bitter, aber leider häufig der Fall. In den ersten Karriereschritten konnten die Eltern vielleicht noch ein paar Tipps geben. Aber spätestens beim ersten Leistungstraining müssten sie ihre Kids abgeben und vertrauensvoll den Pro(fi)s überlassen. Ich weiss, das ist sehr, sehr viel verlangt, aber ein entscheidender Schritt im golferischen Reifungsprozess.

Das „Loslassen“ erweist sich für die Meisten als allerschwerste Übung. Statt dessen wird von vielen bei jeder Kleinigkeit im ÖGV und bei Trainern interveniert, werden weiter völlig inkompetente „Tipps“ gegeben und nach den Turnierrunden das letzte Pflänzchen an Selbstbewusstsein mit „Manöverkritik“ gekillt. Und wenns mal halbwegs läuft, trägt der Papa am Sonntag als Caddie seinen Teil bei, damit der Junior auch garantiert abstürzt, weil die Schultern des Taschenträgers zu breit sind. Weil man ja selbst alles besser weiß über den Schwung des Juniors als alle Trainer zusammen. In jedem Golfschlag schwingen die Ideen von Trainer und Papa mit – das Ergebnis kann nur Out of Bounds sein.

Ich habe vor Jahren im ÖGV erfolglos angeregt, alle Eltern von Kaderspielern einen „Verhaltenscodex“ unterschreiben zu lassen, wo sie sich zu folgendem verpflichten: alle Interventionen bei ÖGV, Trainern, Journalisten aufgrund von Befangenheit verboten! Abstand halten und aus der Ferne Daumen drücken.

Die Rolle der Eltern sollte sich beschränken auf:
1. Zahlen
2. Chauffieren
3. Vorcaddie (200 Meter weit weg)
4. Erfolge feiern

Hand aufs Herz: wer möchte den eigenen Golfnachwuchs bestmöglichst fördern oder sich in Wahrheit nur über den Umweg der eigenen Kinder wichtig machen?

Die Erkenntnis, wie man als Elternteil am Besten Unterstützung leistet, wäre eigentlich leicht zu bekommen. Man bräuchte nur jeweils den Scoreschnitt der letzten 10 Turnierrunden mit und ohne Anwesenheit der Eltern auszurechnen um zu wissen, ob man vor Ort den Junior beflügelt oder verkrampfen lässt. Der Schluss, den Papa und Mama daraus ziehen müssen, ist in den meisten Fällen sehr schmerzhaft.

Es gibt natürlich auch die Mustereltern, die loslassen können und sich darüber freuen, ihren Kindern das Rüstzeug für eine hoffnungsvolle Karriere mitgegeben zu haben.

Wer die Golfkarriere im eigenen Haus wirklich fördern möchte, der wird zusätzlich zu jeder Menge Zeit und Geld auch noch dieses Opfer bringen müssen, das vielleicht entscheidende überhaupt. Vor diesen Eltern habe ich die allergrößte Hochachtung.

von Joachim Widl

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