Verheizte Talente

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Matthias Schwab verliert nach Ermüdungsbruch im Rückenbereich zumindest ein Golfjahr. Schon zuvor ruinierte das gnadenlose US Collegolf Steffi Endstrasser oder Philipp Fendt die Karriere.

Zahllos sind die Erfolgsbeispiele europäischer Spitzenspieler – wie etwa Luke Donald oder Graeme McDowell – die über das US-Collegegolf zu Weltkarrieren im Profisport gereift sind. Gratis Uni-Ausbildung auf einer Eliteuniversität inbegriffen. Kann man eigentlich nur gewinnen?

In der Realität leider nein! Österreichs wenige Golftalente, die von US-Scouts verpflichtet wurden, entwickelten sich sportlich nicht wie erhofft weiter. Vielmehr wurden die meisten im gnadenlosen Bootcamp-Drill verheizt.

Statt Feinschliff gibt es Schleiferei ohne Ende um zur Ehre der Uni in den nationalen Wettkämpfen zu bestehen. Nicht die sportliche Weiterentwicklung sondern das gnadenlose Auspressen des teuer eingekauften Investments steht für die Colleges in Amerika im Mittelpunkt.

Wer nicht sofort in das System aus Drill & Kill hineinpasst, „gets benched“, wie die Amerikaner sagen, landet also am Reservebankerl. So geschehen mit wahrscheinlich Österreichs größtem weiblichen Talent der letzten 10 Jahre, Stefanie Endstrasser. Die Scouts der „Purdues“ holten Steffi nach Amerika, wo sie nach gutem Einstiegsjahr zu den „Trojans“ in Südkalifornien wechselte. Der dortige Trainer war weniger überzeugt von der Tirolerin und ruinierte 2010 endgültig eine vielversprechende Karriere, die ohne neue Erfolgserlebnisse und Selbstvertrauen ein abruptes Ende fand.

Noch weit brutaler geht es bei den Boys zu. Matthias Schwabs Probleme aus „Übertraining“ in Nashville wuchsen sich zum Ermüdungsbruch im unteren Rücken aus, wie Vanderbilt Head Coach Scott Limbaugh gegenüber der Golfweek USA erklärte. Seine Spielpause wird sich von März 2014 nun zumindest bis zum nächsten Frühjahr hinziehen. Zur Zeit kann „Matt“ in Vanderbilt nur im Zeitlupentempo schwingen, wie mir Vater Andy Schwab in einem Videoclip vorführte.

Wie konnte Österreichs herausragendes Golftalent, das bei der Lyoness Open 2010 bereits als 15-jähriger auf den Spuren eines Matteo Manassero wandelte, so jung in Rückenprobleme schlittern? Eine Mischung aus nicht gerade gesundem Golfschwung und extrem großem Fleiß und Ehrgeiz ist dafür verantwortlich. Der gnadenlose USA-Drill ist dann endgültig zuviel. Schwab, der mit einem Score-Durchschnitt von 72,15 die Nummer 1 bei den „Commodores“ war, fällt zumindest für ein Jahr aus – im besten Fall!

Dabei gab es bereits zuvor Beispiele genug, wie junge heimische Talente ausgebrannt aus Amerika kommend ins Profilager wechseln: Philipp Fendt musste nach einer beeindruckenden Amateurkarriere, die ihn bis auf Rang 26 der Weltrangliste führte, nach nur einem Jahr auf den europäischen Satellite Tours das Handtuch werfen. Auch bei ihm spielte der Rücken im Alter von 23, 24 Jahren nicht mehr mit.

Clemens Prader, Sarah Schober, Caro Pinegger, Nadine Dreher, Lisa Unterganschnigg und, und, und. Die Liste der in Amerika nicht wirklich zu Topspielern gereiften heimischen Talente ist elendslang. Noch interessanter der Umkehrschluss: Maudi, Bernd, Wieschi, Gergely. Alle unsere wenigen Turniersieger auf den Profitours verzichteten komplett auf den Umweg USA und bauten ihre Karriere daheim auf.

Bei manchen Golfvätern und ihren hochtalentierten Kindern ist die Message nun hoffentlich angekommen. Gerold Folk etwa, ein weiteres hoffnungsvolles Golftalent aus der Steiermark, lässt nach anfänglichem Liebäugeln die Finger von Amerikas Collegegolf. Aus eben diesen guten Gründen, wie sein Vater mir unlängst bestätigte.

Dort wo Österreichs Nachwuchs halbwegs gesund aus Amerika zurückkehrte, fand der Karriere-Push jedoch erst so richtig in Europa statt: Christine Wolf oder Nina Mühl machten nicht in Amerika, sondern erst nach dem Sprung ins Profilager auf der Ladies European Tour wieder zuletzt große Fortschritte.

von Joachim Widl

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