Trollige Fans
2013-10-21
Mit dem Erfolg kommen die Fans – und Social Media gibt ihnen eine Stimme. Aus anfangs „drolligen“ Followern werden bald „trollige“, wie Golfstars schmerzvoll lernen. Tiger, Rory & Co als verbales Freiwild.
„Ich pfeif auf die Medien, die eh nur bös über mich schreiben und pflege lieber meine Fans auf Facebook und Twitter,“ so die Logik vieler Sportstars weltweit. Meine „Friends & Follower“ mögen mich ja, sonst würden sie mir nicht ins Social Web folgen und außerdem kann ich so die Kommunikation besser steuern, aus meiner eigenen Karriere-Sicht heraus.
So ähnlich dachte ich vor Social Media-Zeiten auch und rief 2004 ziemlich naiv den Golf-Live Talk ins Leben. Nur: in einem Golfforum eine akzeptable Gesprächskultur aufrecht zu halten und immer raffiniertere Spamattacken abzuwehren ist zeitlich so aufwendig, dass Golf-Live gleich gänzlich darauf verzichtete, eine eigene Facebook-Seite zu betreiben und das nie bereut hat.
Golf-Pros auf Facebook laufen Gefahr, einen „Hate-Storm“ im falschen Zeitpunkt zu erwischen und ausgerechnet während eines Turniers stundenlang die eigene Facebook-Seite mühsam säubern zu müssen – alles schon passiert…
Lee Westwood hat mich leider nicht gefragt, ob es eine gute Idee ist, einen Twitter-Account zu eröffnen. Nach Erreichen der stolzen Marke von 570.000 Followern wurde bei ihm die „kritische Troll-Masse“ erreicht. Angriffsflächen bietet der noch majorlose Westy genug und entsprechend gnadenlos spielte es sich bei Twitter ab. Im August schlug Lee verbal zurück und beschimpfte die „Girly Boy Trolls“ einmal so richtig (>> ITV-News)
Die verbale Schlammschlacht dauerte 24 Stunden ehe Sponsoren und PR-Leute den armen Lee wieder im Zaum hatten. Rory McIlroy, Ian Poulter & Co, bekamen ebenfalls ihr Fett ab. Klüger gemanagt wird da Tiger Woods, der lieber PR-geföhnte Twitter-Postings (nicht selbst) absondert und nur Diskussionen in „kontrollierter Umgebung“ zulässt. Was ihm das nützt, ist täglich beim Golfchannel an oft über 1.000 Leserkommentaren nachzulesen – die Admins kommen mit dem Löschen und Sperren von Accounts nicht schnell genug nach. Die Schlacht zwischen Tiger-Likers und Haters tobt dort üblicherweise nach jeder Turnierrunde ungehemmt und unzensuriert.
Vielleicht betrachten abgeklärte Stars deshalb Teile ihres fürstlichen Lohns als Schmerzensgeld. Wenn Lindsey Vonn oder Caro Wozniacki ihr Liebesleben geheim halten wollen, sollen sie sich doch nächstes Mal einen Regalschlichter im Supermarkt anlachen, dann interessierts keinen. Selber schuld, so die landläufige Meinung.
Das Problem sind nicht abgehobene Stars oder goscherte Fans, sondern explosionsartig und zügellos wie Hedge Fonds gewachsene soziale Medien, die sich nur nach Marktgesetzen entwickeln. Sie bieten eine ideale Spielwiese für „Trolle“, die naiv und emotional Dampf ablassen, ohne sich der Konsequenzen bewusst zu sein.
Vor allem die Smartphone-Generation wird schmerzvoll lernen, dass sie unverwischbare Spuren im Internet hinterlässt. Jedes Hate-Posting von heute ist für alle Ewigkeit gespeichert und kann vielleicht 50 Jahre später gegen sie verwendet werden. In letzter Konsequenz kann dies alle Chancen in Beruf und Gesellschaft kosten. Spätestens seit Mister Snowden sollten Trolle wissen: es gibt keine Anonymität in der digitalen Welt
So wie man sein „Idol“ auch nicht von Angesicht zu Angesicht beschimpfen würde, sollte es auch mit der Waffe „Smartphone“ unterlassen werden. Die Celebrities dieser Welt sind vielleicht zu bedauern, aber schützen müssen wir vorrangig unsere eigenen Kinder vor Cyber-Bullying, die das gleiche Troll-Schicksal tagtäglich in der Light-Version erfahren.
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